Bundesverband für freie Kammern e.V. Kooptations-Urteil - Hamburger und Stuttgarter IHKn – Rechtsbruch ganz normal

26.09.2015

Kooptations-Urteil - Hamburger und Stuttgarter IHKn – Rechtsbruch ganz normalDas Positive zuerst: wie man hört, soll es in Niedersachsen stille Mandatsniederlegungen nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Kooptationen gegeben haben. Auch in der IHK Berlin zeichnet sich eine entsprechende Lösung ab. Die betroffenen Mandatsträger haben jedenfalls bereits in der ersten Sitzung der Vollversammlung nach dem Urteil auf ihre Stimmrechte verzichtet.
Die IHKn in Stuttgart und Hamburg aber stehen beispielhaft für die völlige Abwesenheit von Sitte und Anstand ehrbarer Kaufleute in den Führungsriegen der Kammern und die skrupellose Bereitschaft höchstrichterliche Entscheidungen zu ignorieren.

Eigentlich eine klare Sache in Stuttgart


Recht einfach ist dabei die Lagebeurteilung in Stuttgart. Die gleichen Kammerfunktionäre, die öffentlich behaupten, es bestünde nach dem Urteil kein aktueller Handlungsbedarf, haben in die neue Wahlordnung, die am vergangenen Donnerstag im Hinblick auf die anstehende Wahl im Jahr 2017 beschlossen wurde, noch rasch eine Passage eingefügt, die unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes erneute Kooptationen in der laufenden Wahlperiode erlauben würden. Wozu aber braucht es eine solche Regelung, wenn doch die betroffenen Mandatsträger in Stuttgart davon gar nicht betroffen sind? Wenn eine erneute mittelbare Wahl (Kooptation) in der laufenden Wahlperiode also gar nicht anstünde? Die Antwort liefert der Hauptgeschäftsführer, der zunächst gegenüber den Stuttgarter Nachrichten jeden aktuellen Handlungsbedarf bestreitet. Entlarvend für das Verständnis von Recht und Anstand ist die dann aber folgende Aussage „Das Mandat besteht, bis ein Gericht feststellt, dass diese Kooptationen nicht rechtens seien“. Mit anderen Worten, wir kleben an den Sesseln, bis uns jemand verklagt und wir wissen, dass das dauert.

Dreist, dreister, HamburgNoch dreister treiben es die hanseatischen Vertreter von Sitte und Anstand ehrbarer Kaufleute in Hamburg. Die dortige Handelskammer steht immens unter Druck. Denn auch ihr Präsident adhoc-Meldung Hamburg - SEP15gehört zu den Kooptierten und müsste Mandat und Präsidentschaft abgeben. In einer „ad hoc-Meldung“ an die Mitglieder der Vollversammlung vom 15. 09. 2015 wies die Handelskammer jegliche Konsequenzen für die aktuell Kooptierten zurück. Dabei wurde kess behauptet, die geübte Praxis in der Handelskammer entspreche „dem grundsätzlichen Petitum des Bundesverwaltungsgerichts.“ Tatsächlich hat das Bundesverwaltungsgericht klar festgestellt, dass eine Kooptation nur zulässig ist, wenn zuvor für die mittelbar zu wählenden Mandate eine klare vorherige Festlegung einer entsprechenden Sitzplatzverteilung auf die einzelnen Wahlgruppen erfolgt ist. In Hamburg ist eben das wie in der beklagten IHK nicht geschehen.
So ganz sicher waren sich die Hamburger Kammerfürsten dann aber wohl doch nicht. Und da die Geldspeicher der Handelskammer mehr als übervoll sind, hat man sich mal wieder ein Gutachten (zuvor zum Gehalt des HGFs und zur Verweigerung der Transparenz bei Wahlergebnissen) gekauft. Das neueste Gutachten bestätigt – Überraschung: alles ist gut an der Elbe. Ein Blick in dieses Gutachten aber zeigt, wie oberflächlich und gefällig der akademische Mietschreiberling geliefert hat. Zwei Beispiele sollen dies belegen. Header Gutachten HK Hamburg - SEP15In der ad hoc-Meldung und einer weiteren Mail an die Mitglieder der Vollversammlung behauptet die Kammerführung nun auch unter Bezugnahme auf das Gutachten, „die Anfechtungsfrist ist ungenutzt verstrichen“. Im Hinblick auf das jegliche Fehlen von hanseatischer Sitte und Anstand lässt diese Aussage bereits tief blicken. Aber auch rechtlich ist dies ganz offensichtlich nicht haltbar. Denn nach der Wahlordnung der Handelskammer ist eine Öffentliche Bekanntmachung der Wahlergebnisse (§§ 18, 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1) vorgeschrieben. Tatsächlich aber hat es eine solche Öffentliche Bekanntmachung zwar für die Ergebnisse der unmittelbaren Wahl, nie aber für die mittelbare Wahl gegeben. Ohne eine solche Öffentliche Bekanntmachung aber waren die mittelbaren Wahlen schlicht unwirksam und irgendwelche Fristen zur Anfechtung nie in Gang gesetzt. Aus gutem Grund beschäftigt sich der Gutachter in seinem 19-seitigen Machwerk mit dieser Sachlage nicht. In völliger Ignoranz der in der Wahlordnung festgelegten Vorschriften zur Veröffentlichung behauptet er stattdessen, einfach wegen der erfolgten Pressemitteilung der Handelskammer vom 03. 04. 2014 käme eine Ungültigerklärung der mittelbaren Wahl nicht mehr in Betracht, weil sie verfristet seien.Eine zweite Bestimmung der Wahlordnung müsste für sofortige Konsequenzen der betroffenen Mandatsträger sorgen. Denn gemäß der Wahlordnung (§ 7 Abs. 2) endet die Amtszeit „mit der Feststellung, dass bei dem Mitglied die Voraussetzungen der Wählbarkeit im Zeitpunkt der Wahl nicht vorhanden waren“. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ist eine vorherige Festlegung einer möglichen Sitzverteilung auch der Kooptationen auf die Wahlgruppen eine zwingende Voraussetzung. Eine Voraussetzung, die in der Handelskammer eben nicht vorliegt. Der Gutachter löst das Problem, in dem er ohne jede weitere Begründung behauptet, dass sich das Fehlen solcher Voraussetzungen nur auf subjektive – also in der Person liegende – Gründe beziehe und nicht etwa auch auf objektive Fehler wahlordnungsrechtlicher Vorschriften. Warum das so sein sollte verrät er nicht. Da es aber  in der Tat IHKn gibt, die in den Wahlordnungen ausdrücklich die vorzeitige Beendigung der Mitgliedschaft an das Fehlen der subjektiven Voraussetzungen knüpfen, fehlt dieser Behauptung die Grundlage. Für eine entsprechende Klage gegen die Handelskammer in Hamburg gibt es also gleich zwei gute Gründe.

Wie in Stuttgart aber setzen auch die Hamburger Kammerfürsten auf Zeit und nutzen für diese Zeitschinderei schamlos die ihnen nur anvertrauten Mitgliedsbeiträge.