Bundesverband für freie Kammern e.V. Die Pflege in NRW hat gewählt – eine Analyse

04.11.2022

Die Pflege in NRW hat gewählt – eine Analyse

Heute wurde das Ergebnis zur Wahl der Kammerversammlung der neu gegründeten Pflegekammer in NRW veröffentlicht. Die Pflege in NRW hat also gewählt. Aber hat sie das wirklich?

Eine erste Analyse muss zunächst zwei Zahlenvergleiche in den Mittelpunkt stellen. Da ist zum Einen der Fakt, dass bei geschätzten mindestens 200.000 Pflegekräften in NRW weniger als die Hälfte bei der ungeliebten Pflegekammer registriert und damit zur Wahl aufgerufen waren. Und von diesen knapp 100.000 Wahlberechtigten haben insgesamt weniger als 22.000 ihre Stimme abgegeben. Wer danach noch von einer deutlichen Unterstützung der Idee einer Pflegekammer durch die Pflegekräfte redet, der schwätzt.

Im Hinblick auf die Verankerung dieser Idee einer Pflegekammer landet man sofort bei der nächsten Erkenntnis. Denn nach dem Ergebnis der Wahl entfallen satte 40 Prozent der Mandate auf nur zwei Listen. Und diese beiden Listen (die ver.di-Liste mit 16 Mandaten und die Liste „Pflegekammer ohne Zwang mit 8 Mandaten) haben die Einrichtung einer Zwangspflegekammer von Anfang an offensiv und sichtbar abgelehnt. Die restlichen 36 Mandate verteilen sich auf weitere 14 Listen. Was die Pflegekräfte in NRW von einer Zwangspflegekammer halten lässt sich dabei an den Wahlergebnissen der offen auftretenden Befürworter ablesen. Der (laut-)stärkste Berufsverband, der DBfK kam auf gerade mal 8 Mandate – genauso viel wie das frisch gegründete und ohne personelle und wirtschaftliche Ressourcen ausgestattete Bündnis „Pflegekammer ohne Zwang“. Das Team „Pro Pflegekammer“ kam in ganz NRW auf ein einziges Mandat. Genauso “erfolgreich” war der Bochumer Bund, der als Pseudo-Gewerkschaft ebenfalls nur 1 Mandat ergattern konnte. In das Bild passt, dass der Vorsitzende des Landespflegerates NRW, der gleichzeitig auch Vorstandsmitglied im Errichtungsausschuss der Pflegekammer ist, den Einzug in die Kammerversammlung verpasste. Seine Liste ("Pflege Deine Zukunft! Altenpflege Arnsberg") erreichte geradezu armselige 85 Stimmen, während die ver.di-Liste auf 345 Stimmen und das „Pflegebündnis NRW ohne Zwang“ auf 252 Stimmen kamen. Ein kleines bisschen aus diesem Gesamtbild fällt lediglich das Ergebnis der Vorsitzenden des Errichtungsausschusses, deren Liste „Pflege Deine Zukunft – Köln“ tatsächlich noch vor den Listen von ver.di, des DBfK und auch des „Pflegebündnis NRW ohne Zwang“ gewählt wurde. Insgesamt gehört auch diese Listenverbindung “Pflege Deine Zukunft” tatsächlich zu denen, deren Gesamtergebnis (8 Mandate) wahrnehmbar ist.

Nein, die Pflege in NRW will die Pflegekammer nicht und wählt sie auch nicht. Wenn es jetzt bei den Gewählten demokratischen Anstand und demokratische Kultur geben würde, müssten die kammerkritischen Listen selbstverständlich in die Gremien der neuen Kammer – also den Vorstand und die Ausschüsse – entsprechend ihrer Präsenz in der Kammerversammlung eingebunden werden. Aber demokratischen Anstand und demokratische Kultur sucht man in den Kammern leider vergeblich wie auch das Beispiel der Pflegekammer in Rheinland-Pfalz, wo man zwar zwei ver.di-Vertreter im Vorstand duldet und ansonsten aber insbesondere das dortige Bündnis „Pflegekammer ohne Zwang“, das aus dem Stand 10 von 81 Mandaten erreichte und neben den beiden ver.di-Listen als stärkste Liste Erfolg hatte, bei den Wahlen zu den Kammergremien völlig leer ausgehen ließ.

Den Kolleginnen und Kollegen vom „Pflegebündnis NRW ohne Zwang“ in NRW, die sich bis zur Erschöpfung ohne jegliche Verbandsunterstützung engagiert haben gilt es ebenso wie den ver.di-Listen zunächst zu gratulieren. Die Arbeit und das Engagement gegen die ungeliebte Zwangspflegekammer gehen nun in eine neue Phase. Das wird nicht weniger Engagement und Zähigkeit verlangen. Jetzt aber darf auch einen Moment durchgeatmet und gefeiert werden. 

 

Link zu den vollständigen Wahlergebnissen

Anmerkung 1: In der ersten Version haben wir geschrieben, dass im im Vorstand der Pflegekammer Rheinland-Pfalz nur ein ver.di-Vertreter zu finden wäre. Tatsächlich sind dort aber zwei ver.di-Funktionäre vertreten. Wir haben das korrigiert. 

Anmerkung 2: Das Bild zur Sitzverteilung haben wir aktualisiert und um eine Auswertung nach Geschlechtern ergänzt. Die erste Version enthielt zudem einen Fehhler bei der Sitzverteilung. Wir haben das korrigiert.