Kammern? Was soll das sein?
Verehrte Pflegekräfte,
wir haben Ihnen hier einige Fragen zum Thema Kammerzwang zusammengetragen.
Wir haben diesen Katalog durch eine "FAQ-Angebot" erweitert. Dort werden Ihre Fragen teilweise noch ausführlicher beantwortet.
Wir stellen in Gesprächen mit Angehörigen Ihrer Berufsgruppe immer wieder fest, dass die Hintergründe zum Thema Kammern und Zwangsmitgliedschaft bei Ihnen häufig nicht bekannt sind. Der bffk e.V. besteht aus (freiwilligen) Mitgliedern, die jahrelange Erfahrung mit dem Zwangskammersystem in Deutschland haben und schon sehr lange versuchen sich von dieser Geißel zu befreien.
Wir können verstehen, dass einige von Ihnen die Einrichtung solcher Kammern im Moment etwas euphorisch sehen. Wenn diese Bürokratiemonster jedoch ihre Arbeit aufgenommen haben und die ersten Rechnungen für die Zwangsbeiträge im Briefkasten liegen, wird diese Euphorie schnell verfliegen.
Kammern werden von der Politik legitimiert und eingesetzt. Einer Politik, die für die größten Probleme in der Pflege in diesem Land mitverantwortlich ist. Wenn jetzt Kammern eingerichtet werden, so haben die hauptamtlich angestellten, und hoch bezahlten Personen dort, ihre Stellen nur durch die Hilfe genau dieser Politiker. Fällt Ihnen etwas auf?
Kammern sind keine »Vertretung der Mitglieder«, sondern ein verlängerter Arm der Politik.
Ein Tipp: Auf der Seite "Info für Personalvertreter" haben wir lesenswerte Links zu Stellungnahmen der Gewerkschaft ver.di vorbereitet.
Was sind eigentlich Kammern?
Kammern wurden ursprünglich gegründet, um Berufsständen, geschlossene Unternehmergruppen oder besondere Berufe (z.B. Ärzte, Anwälte) vor den Interessen und der Einmischung Dritter abzuschotten. Hier waren vor allem wirtschaftliche Interessen der Kammeroberen oder deren Zugehörigen im Spiel.
Entstanden sind die Kammern aus aristokratischen Gruppen und wurden von den damals noch nicht demokratisch gewählten Regierungen eingesetzt.
Die ursprüngliche Idee war die Selbstverwaltung. Die Berufsgruppen sollten ihre internen Angelegenheiten eigenverantwortlich organisieren und damit den Staat entlasten. Inzwischen verwalten sich die Kammern für immense Kosten in erster Linie selbst.
Eingesetzt werden diese Kammern allerdings auch heute noch vom Gesetzgeber und nicht von den Betroffenen selbst. Es wird zwar immer von einer sogenannten »Mitgliedschaft« gesprochen. In der Realität sind es jedoch gesetzlich zugewiesene Personen oder Unternehmen und in keinem Fall eine freiwillige Zugehörigkeit.
Es handelt sich also nicht um eine durch die Mitglieder legitimierte Vereinigung, sondern um eine Zwangsorganisation. Von den Nutznießern einer Kammer wird daher diese Zwangsmitgliedschaft auch gerne als »Pflichtmitgliedschaft« verklärt.Für Selbstständige und Freiberufler könnten Kammern eine nützliche Sache sein, da diese Selbstständigen keine Vertretungen gegenüber dem Staat oder anderen Interessengruppen haben. Doch auch diese Personenkreise wehren sich gegen diese Zwangsverkammerung. Nicht zuletzt, da die Kammern zunehmend im Sinne des beauftragenden Staates und nicht im Sinne der sog. Mitglieder agieren. An den Wahlen z.B. der Industrie- und Handelskammern (IHK) nehmen regelmäßig weniger als 10% der Betroffenen teil. Selbst Ärztekammern haben häufig Probleme über 35% Wahlbeteiligung zu kommen. Die bestehenden Kammern haben keinen Rückhalt und damit keine Legitimation durch ihre eigenen Gruppen.
In diesem Zusammenhang sollte man auch bedenken, dass Pflegekräfte üblicherweise keine Selbstständigen sind, sondern abhängig Angestellte.
In den meisten Ländern Europas sind die Kammern mit Zwangsmitgliedschaft bereits abgeschafft worden.Wen vertreten Kammern?Kammern sind zuständig für die Verwaltung und das »Gesamtinteresse« aller gesetzlich zugewiesenen Personenkreise. Und genau da wird es problematisch. Das ist zuerst einmal abhängig von der Zusammensetzung dieser Personenkreise. In Pflegekammern sollen alle Kräfte der Altenpflege, Krankenpflege, Kinderkrankenpflege, evtl. sogar Hebammen, sowie die Hilfskräfte vertreten werden. Zudem sollen noch Pflegelehrer, Pflegedienstleitungen und voraussichtlich auch weitere Gruppen (evtl. Arbeitgeber, Krankenkassen usw.), separat ausgewiesen, mit dabei sein. Bereits hier wird es problematisch, ein Gesamtinteresse von abhängig Angestellten, Vorgesetzten und Arbeitgebern zu finden. Geträumt wird, dass die Pflegeberufe den anderen medizinischen Berufen auf »Augenhöhe« entgegentreten können. Man darf gespannt sein, wie das in der täglichen Arbeit funktionieren soll, wenn die angestellte Krankenschwester dem weisungsbefugten Arzt gegenübertritt.
Sind Kammern mit Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretungen zu vergleichen?Kammern sind für diesen Bereich nicht zuständig. Sie haben keine Tarifhoheit und können die Arbeitnehmer nicht bei Streitigkeiten am Arbeitsplatz vertreten. Arbeitgeber und Unternehmer können den Kammern problemlos Hausverbot erteilen.
Für die Durchsetzung von Tariflöhnen, vernünftigen Arbeitsbedingungen und bei arbeitsrechtlichen Problemen ist weiterhin eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft notwendig.
Ärztekammern z.B. vertreten in diesen Fragen auch keine angestellten Klinikärzte. Das machen die Ärztegewerkschaften wie z.B. der »Marburger Bund«.Müssen die Arbeitgeber die Pflichtfortbildungen bezahlen?
Wenn der Arbeitgeber freiwillig dazu bereit ist, kann er das tun. Für die Teilnahme und Finanzierung der von Kammern vorgeschriebenen Pflichtfortbildungen sind aber ausschließlich Sie verantwortlich.Kann ich aus einer Kammer austreten?Das ist grundsätzlich nicht möglich ohne den Beruf oder die berufliche Tätigkeit aufzugeben. Im Einzelfall kann dies den Entzug der Berufszulassung (Berufsverbot) nach sich ziehen. Die Zuweisung zur Kammer erfolgt durch den Gesetzgeber und beruht nicht auf Freiwilligkeit oder Ihrer Entscheidung.Was passiert wenn ich keine Beiträge zahle?
Die Kammern leiten das Vollstreckungsverfahren über die Gerichtsvollzieher oder Finanzämter ein. Sie haben dazu sogar die Möglichkeit bis zur Vollstreckungshaft zu gehen. Diese Mittel werden angewendet.
Kammerbeiträge müssen auch bezahlt werden, wenn man keinerlei Leistungen in Anspruch nimmt.
Was ist die Vollversammlung bzw. die Wahl zur Vollversammlung?
Die Vollversammlung ist ein Gremium, das die hauptamtlichen Angestellten der Kammern kontrollieren soll. Die Vollversammlung setzt sich aus Vertretern von allen zugewiesenen Personenkreisen einer Kammer zusammen.
Gewählt wird in Wahlgruppen. Sie können nur die Personen wählen, die zu Ihrer Wahlgruppe gehören. Die Verteilung der zugehörigen Sitze in der Vollversammlung ist vorher festgelegt und abhängig von der Zugehörigkeit und der Größe der Interessengruppen in einer Kammer.
Durch dieses Wahlsystem findet keine echte Wahl statt, da die Mehrheiten bestimmter Gruppen vorher festgelegt sind. Es ist auch anzunehmen, dass Arbeitgebern, Gesundheitspolitikern, Krankenkassen, Vorgesetzten usw. ebenfalls Sitze zugewiesen werden. Dass solche Wahlen nicht demokratisch sind, haben die bestehenden Kammern bereits selbst zugegeben.
Die bestehenden Vollversammlungen werden gerne als »Abnickgremien« beschrieben, da sie mehr als Formalität als eine echte Kontrolle funktionieren. Sämtliche bekannt gewordenen Korruptionsvorwürfe und Rechtsbrüche sind unter den Augen der Vollversammlung ausgeführt worden.
Die bestehenden Kammern haben teilweise sogar Probleme Kandidaten für die Plätze in Vollversammlungen zu finden. Schaut man in die Wahlvorschläge, so finden sich häufig keine Gegenkandidaten. Die Personen müssen sich nur selbst wählen und sitzen in der Vollversammlung.
Ob es z.B. am Arbeitsplatz persönlich zuträglich ist, Mitglied einer Vollversammlung zu sein, muss jeder für sich entscheiden.
Wahlergebnisse
Wahlergebnisse sind ein heißes Thema bei Kammern. Spätestens hier hört die Transparenz auf. Wie es sich bei Pflegekammern entwickelt, kann man nicht vorhersagen. Bei den bestehenden Kammern werde zwar die Personen die eine Stelle in der Vollversammlung besetzen bekannt gegeben. Nicht jedoch die genauen Stimmenzahlen oder gar die Wahlbeteiligung. Diese Informationen erhält man gar nicht oder nur aus Insiderkreisen.
Das Problem daran, die geringe Wahlbeteiligung. Es gibt z.B. IHKn die nur 6% Wahlbeteiligung haben. Damit fällt es schwer, sich als legitime Vertreter der zugewiesenen Personenkreise auszugeben. Offiziell möchte man damit die »Verlierer« schützen. Tatsächlich möchte man diese Peinlichkeit einfach nicht in die Öffentlichkeit bekommen.Gehälter der Angestellten und KammeroberenAuch hier ist es mit der Transparenz nicht gut bestellt. Während die Vorstände von Krankenkassen, ja selbst Politiker, ihre Einkommen offenlegen müssen, findet eine solche Transparenz gegenüber den Beitragszahlern bei Kammern nicht statt.
Kammerangestellte gehören sicher nicht zu den schlecht bezahlten Personenkreisen in diesem Land. Man muss nur die Ausgaben für Gehälter mit der Anzahl der Beschäftigten vergleichen. In der Führungsebene sind Gehälter im sechsstelligen Bereich pro Jahr üblich. Zuzüglich Sozialleistungen, Dienstwagen usw. Damit bekommen die Kammeroberen pro Monat mehr Geld überwiesen, als eine Pflegekraft die zum Mindestlohn arbeitet, im ganzen Jahr.
Welche Kosten entstehen durch Pflegekammern?
Das kann im Moment noch niemand vorhersagen. Jedoch kann man auf die Bilanzen der bestehenden Kammern sehen. IHKn in der Größe von 50.000 zugewiesenen Unternehmen, haben Ausgaben im Bereich von 12 - 14 Millionen Euro im Jahr. Manche Kammern deutlich mehr. Setzt man diese Kosten aufgrund eines anderen Aufgabenfeldes z.B. mit nur 50% an, rechnet dann aber für ein Bundesland wie Bayern die Beträge auf ca. 150.000 zugewiesene Pflegekräfte hoch, so kommt man theoretisch auf Beträge im Bereich von 20 Millionen Euro pro Jahr - zu deren Zahlung die Pflegenden gesetzlich verpflichtet werden.
Das ist im Moment natürlich hypothetisch. Die Aufgaben für eine neue Kammer müssen ja erst künstlich erfunden werden.
Wieviele Pflegekräfte man für dieses Geld einstellen könnte, können Sie sich selbst ausrechnen.
Muss der Arbeitgeber mir die Kammerbeiträge ersetzen?Das kann er bestenfalls freiwillig tun. Sie sind der Kammer zugewiesen, nicht ihr Arbeitgeber.
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